Religion in meiner interkulturellen Ehe






In diesem Post schreibe ich darüber wie wir mit Religion umgehen. Sicherlich gibt es Expertenmeinungen, die viel viel mehr erzählen können wie ich. Habt Spaß beim lesen!

Als ich meinen zukünftigen Mann das erste Mal fragte, welcher Religion er angehörte, sagte er: "Ich weiß nicht." Ich hakte weiter nach und wollte wissen, ob er nun Christ oder Buddhist ist. Er wiegte seinen Kopf hin und her, legte diesen erst nach rechts, dann nach links und meinte: "... vielleicht keiner ..." 

Nun gut, damit gab ich mich erstmal zufrieden, da ich noch keine Bücher über schrecklich schief gegangene buddhistische Ehen gelsen habe und ich mir eher Sorgen um das angebliche Lotterleben der japanischen Männer machte.

Meine Religion
Religion ist für mich wichtig aber ich bin kein Mensch, der in die Kirche geht. In meinen 15 Jahren Ausland Aufenthalt gab es Momente in denen ich dachte, dass Religion eine Privatangelegenheit sein sollte. Jedesmal, wenn eine Diskussion hierüber aufflakerte, ob nun in Malaysia, Singapur oder Dubai, brach die vorherige positive Unterhaltung irgendwie ab. Trotzdem denke ich, dass es Teil meiner Kultur ist und allein aus diesem Grund, ist es wichtig für mich, dies an meine Söhne weiterzugeben. 

Evangelisch
Ich bin evangelisch erzogen worden. Schuld daran ist meine Urgroßmutter, die meinen Vater vom Kindbett meiner Oma entführt hat um ihn vor der bösen katholischen Kirche meines Großvaters zu bewahren. Familiengeschichten!

Kult und Aberglauben
Zusätzlich wurde ich von meiner Omi in gewisse ominöse Kult Praktiken eingeführt, die, wie ich in späteren Jahren von unserem Dorfpfarrer erfahren mußte mit absoluter Sicherheit nicht zum christlichen Glauben gehörten. Als Kind war es für mich aber wichtig und absolut glaubhaft, genauso wie das Sandmänchen. 
Ich durfte z.B. meine Schuhe nicht auf den Tisch stellen, denn das bringt Unglück! Freitag gab es bei uns immer Fisch. Meine Omi säuberte diesen Fisch und schabte die Fischschuppen ab, trocknete diese und bewahrte diese in einer kleinen Porzellan Tasse im Schrank auf. Dies war dazu gedacht, dass immer Geld im Portmoinaie ist. 

Mein japanischer Mann

Hinweis Nr. 1
In Japan angekommen, merkte ich schnell, dass da doch etwas im Leben meines Mannes eine Art religiöse Rolle spielte. Als er an einem Wochenende auf eine Beerdigung mußte, kam er nach Hause und blieb wie angewurzelt am Eingang stehen. Ich sollte ihm Salz bringen. Verwundert über diesen Wunsch, brachte ich ihm dies. Er warf das Salz über die linke Schulter und .... ich meine er drehte sich auch ein oder zweimal nach links. So genau kann ich mich nicht mehr erinnern. 
Ich hatte soetwas schonmal irgendwo gesehen. Meine Großmutter hat das auch einmal gemacht. 

Hinweis Nr. 2
Der nächste Hinweis auf diese geheimnisvolle Religion war eine Text Nachricht. Er schrieb mir, dass er länger in der Firma bleiben müsse weil sich alle zum Gebet vor dem Firmenschrein versammelten. Dies geschieht zweimal im Monat. 

Hinweis Nr. 3
Mein Mann ist Ingeneur und erzählte mir eines Abend die folgende Geschichte:

Beim Bau eines Tunnel, bevor der erste Spatenstich (Earth Breaking Ceremonie) erfolgt, kommen Shinto Priester und eine Art Segnung wird vorgenommen. Beschwichtigt wird eine Kami, Göttin der Berge und somit zuständig für Tunnel. In der Vergangenheit ließ man keine Frau beim Bau des Tunnel hinein. Dies hat sich inzwiischen geändert. Der Grund lag darin, dass diese Göttin eifersüchtig wird und dann ist das ganze Projekt zum Scheitern verurteilt. 

Hinweis Nr. 4
Shinto Schrein
Silvester! 
In Deutschland feiern wir mit viel Knallern und Feuerwerken. Hier in Japan wird Silvester in kompletter Ruhe vollzogen. Nicht ein Knaller. Wir warten bis 24 Uhr und dann machen wir uns in der Eiseskälte auf den Weg zum nächst gelegenen Shinto Shrein. Dort ist gewöhnlich eine lange Schlange und alle warten in absoluter Stille auf den Moment vor den Schrein zu treten, die Glocke zu läuten und die Hände zusammen zu klatschen, sich dreimal verbeugen und zum Schluß Geld in die Kollekte zu werfen. 
Danach geht es gleich weiter und für wenig Geld erhält man an einem provisorisch aufgestellten Stand ein Stückchen zusammengefaltetes Papier. Auf diesem wird einem das geschildert was einem im naechsten Jahr erwartet. Einmal beobachtete ich meinen Mann beim lesen seiner Vorhersage. Er wurde blaß und eilte schnell zum "Geh weg Du schlechte Vorhersage Bindfadenbaum". Das Papier heißt Omikushi.






Danach wird ein Pfeil gekauft, der gesegnet ist und die Familie im kommenden Jahr beschützen soll. Dieser wird im Hauseingang aufgehängt.




Hinweis Nr. 5
Kirschblüte
Jeden Morgen schauen wir uns die Nachrichten an. In Japan ist eine sehr wichtige Nachricht die der Kirschblüte und die Mitteilung, wo in Japan der erste Baum in seiner vollen Blüte steht. Das fängt gewöhnlich im Süden (Okinawa) an und wandert langsam Richtung Norden. Einige Zeit später rief mein Mann von der Arbeit an und sagte mir, dass ich ein Picknick vorbereiten sollte weil wir am Wochenende in den Park gehen werden und dort die Kirschblüte betrachten werden. 

Mir fehlte zu diesem Zeitpunk die notwendige Sensibilität für solche Aktivitäten mitten im Winter. Nun ja, Ende März ist es noch recht kühl für ein Picknick im Park. Jeder kennt die Bilder von Tokio, tausende Japaner sitzen auf Picknick Decken unter Kirschbäumen im Park und "genießen" das Leben. Es wird viel getrunken und man kann die Stimmung mit der eines Volksfestes vergleichen. 
Nun zu diesem Picknick gibt es eine schöne Geschichte. Mein Mann erzählte mir, dass in jeder Kirschblüte eine Seele sitzt. Diese besucht für kurze Zeit der Kirschblüte die Erde. Setzt man sich unter die Kirschbäume während der Kirschblüte und unterhält sich, hören die Ahnen gespannt zu. Wenn die Blüte vorbei ist kehren sie in die Schattenwelt zurück. 

Hinweis Nr. 6
Reinkarnation
Vor ein paar Tagen erzählte mir mein Mann ganz glücklich, dass sein Großvater nächstes Jahr 33 Jahre tot ist. Von nun an brauchte man sich nicht mehr um sein Grab kümmern, da er wiedergeboren wird. Kurz philosophierte er, ob sein Opi als Mensch oder als Tier wieder geboren wird.
Solche Sachen finde ich immer etwas Gänsehaut anregend und ich kann hierzu nichts erwidern.

Hinweis Nr. 7
Im letzten Jahr sind wir nach Hokkaido gefahren. Auf dem Weg dorthin bat ich meinen Mann mehrmals doch bitte zu irgend einem Strand in Tohoku zu fahren. Ich wollte gerne sehen, wie es nach der Tsunami Welle aussieht. 
Er nickte und meinte, sobald sich eine Gelegenheit ergibt. Nachdem ein Wegweiser nach dem Anderen an uns vorbeiflog, hakte ich nochmals nach. Nun ja, mein Mann erwiderte nun, dass wir keine Zeit mehr hätten weil wir die Fähre nach Hokkaido noch erreichen müßten. So ganz stimmte das nicht. Also versuchte ich nun eindringlicher darauf hinzuweisen, dass ich unbedingt die Strände sehen möchte. 
Mein Mann fing einen Streit an. Also hielt ich den Mund.

Da dies ein absolut ungewöhnliche Verhalten für ihn war, wunderte ich mich. Erst Monate später fiehl mir bei einer Erzählung einer Freundin auf, dass diese ebenfalls nicht nach Tohoku fahren wollte. Der Grund: "Angst vor Geistern."

Fazit
Egal wen ich bisher in Japan gefragt habe, fast immer erhielt ich die Auskunft, dass man weder Shintoist noch Buddhist ist. Doch der Alltag sieht anders aus. Tief verwurzelt ist der Glauben im japanischen Alltag und ich behaupte Felsenfest, dass mein Mann ShinBuChrismus ist. 

Interessant
Ein Bekannte erklärte mir einmal, dass die katholische Kirche den Japanern erlaube, neben dem Besuch der Kirche auch Schreins und Temple zu besuchen. Hier existiert alles nebeneinander. 

Wir BEIDE / VIER

Religion in unserer Ehe ist einfach. Weihnachten feiern wir nach dem christlichen Glauben. Silvester gehen wir zum Shinto Schrein und/oder zum buddhistischen Temple Zoujyouji in Tokio. Das Letztere allerdings auf meinen Vorschlag hin.

Manchmal machen wir uns Gedanken, wer wen in welchem Himmel besucht aber so richtig ernst nehmen wir uns hier nicht. 

Jeder respektiert die Wünsche und Gebräuche des Anderen und toleriert diese. 

Unsere Jungs werden konfirmiert, schreiben ihre Wünsche am Shinto Schrein auf und beten im buddhistischen Temple.

5 Kommentare:

pétoche hat gesagt…

Das ist ein wirklich sehr interessanter Eintrag! Ich bin wirklich verwundert darüber, wie zurückhaltend über das Thema Religion gesprochen wird (oder es vielleicht gar nicht bemerkt wird, wenn man so in seinem Trott din ist) :)

Ann hat gesagt…

Beim Lesen deiner "Indiziensammlung" ist mir aufgefallen, dass ich sehr ähnliche Erfahrungen gemacht habe. Dennoch schön zu wissen, dass bei euch und auch mit euren Kindern alles so eine problemlose Koexistenz führt, in europäischen Breitengraden ist das ja nicht so selbstverständlich...
Diese selbstverständliche Toleranz finde ich einfach nur großartig, im Grunde sind Religionen ja auch etwas friedfertiges. Und ganz im Ernst: ShinBuChrismus ist ein tolles Wort! ;)

Liebe Grüße
Ann

Marco Cavasso hat gesagt…

Fantastic post ! Nice pics !!
Remember to visit and follow my blog !

XO XO

http://the-city-of-bl.blogspot.it/

Lebenslust was sonst hat gesagt…

Konbanwa.. nun bin ich doch sehr überrascht (aber auch erfreut)deinen Blog gefunden zu haben.Ich möchte mich bei dir kurz mal vorstellen,ich heiße Edith,bin zu Hause in O.Ö.und habe von 1972-1983 in Japan gelebt.Der Liebe wegen bin ich damals nach Japan gegangen,und habe in der Familie meines Exmannes gelebt.Falls ich nun dein Interesse geweckt habe, können wir gerne im Kontakt bleiben.ich würde mich über eine Antwort von dir freuen,bis dahin schicke ich dir liebe Grüße Edith.

Chinitafania hat gesagt…

Sehr interessant :) Meine Mitbewohnerin aus den USA kommt auch aus Japan. Sie war in den USA Feuer und Flamme für eine christliche Gruppe und war auch jeden Sonntag in der Kirche. Dann ein paar Jahre später habe ich sie in Japan besucht und wir waren in ein paar Shinto-Tempeln und sie hat dort auch gebetet. Ich hab mich etwas gewundert, aber irgendwie ist es ja auch schön, dass man allen Religionen etwas abgewinnen kann. Ist in Taiwan auch nicht anders, wo ich herkomme. Meine Tante hat auch einen Schrein zur Ahnenverehrung und geht trotzdem jeden Sonntag in die Kirche.